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Wichtige Urteile

BAG: Kündigung nach sexuellem Übergriff rechtens

  • Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit einem am 25.08.2017 veröffentlichten Urteil den Griff in den Genitalbereich eines Kollegen als sexuelle Belästigung und damit als Rechtfertigung für eine Kündigung bewertet. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn der Übergriff nicht vordergründig sexuell motiviert gewesen sei.
  • Im konkreten Fall hatte ein Arbeiter in einem Stahlwerk in Bremen einen Leiharbeiter schmerzhaft von hinten am Geschlechtsteil gepackt und im Anschluss dazu rüde Bemerkungen gemacht. Der Arbeitgeber hatte diesen Übergriff als sexuelle Belästigung gewertet und dem Arbeiter aus der Stammbelegschaft nach bekannt werden des Vorfalls gekündigt. Dagegen hatte der Mann geklagt.
  • Das BAG wertete die Aktion als Eingriff in die körperliche Intimsphäre. "Auf die sexuelle Motivation kommt es nicht an", heißt es in der Urteilsbegründung. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.
  • Der Fall wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung - dabei geht es auch um die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LAG Bremen zurückverwiesen.
  • Mit der Entscheidung in dem Fall habe das BAG klargestellt, dass die absichtliche Berührung von Geschlechtsteilen, auch ohne sexuelle Absicht, eine Kündigung rechtfertigen könne.

 

Quelle: BAG-Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16

BAG: Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit

  • Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen im Sinn von § 850a Nr. 3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen.
  • Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar im Sinn von § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 23.08.2017 (10 AZR 859/16).
  • Die Klägerin arbeitet bei der Beklagten, die Sozialstationen betreibt, als Hauspflegerin. Nach einem zwischenzeitlich aufgehobenen Insolvenzverfahren befand sich die Klägerin in der sog. Wohlverhaltensphase, in der sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten hatte. Im Zeitraum Mai 2015 bis März 2016 führte die Beklagte von der jeweiligen Nettovergütung der Klägerin den sich aus ihrer Sicht ergebenden pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte sie auch die an die Klägerin gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit als pfändbar. Die Klägerin, die diese Zuschläge als unpfändbare Erschwerniszulagen im Sinn von § 850a Nr. 3 ZPO ansieht, begehrt von der Beklagten Zahlung von insgesamt 1.144,91 Euro, die diese zu viel an den Treuhänder abgeführt habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
  • Auf die Revision der Beklagten hat das BAG das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg aufgehoben. Die Vorinstanzen haben allerdings zutreffend angenommen, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen im Sinn von § 850a Nr. 3 ZPO und deshalb unpfändbar sind. Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 5 ArbZG die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt, die von ihm als besonders erschwerend bewertet wurde. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen kraft Verfassung (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV) unter besonderem Schutz. § 9 Abs. 1 ArbZG ordnet an diesen Tagen ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot an. Damit geht der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet wird.
  • Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gibt es für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit hingegen nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Sonderregelung des § 850a ZPO zwar dem Schuldnerschutz dient und diesem einen größeren Teil seines Nettoeinkommens als unpfändbar belassen will. Angesichts der ebenso in den Blick zu nehmenden Gläubigerinteressen bedarf die in § 850a Nr. 3 ZPO geregelte Unpfändbarkeit von Erschwerniszulagen aber einer sachlichen Begrenzung.
  • Das BAG konnte nicht abschließend entscheiden, da zur genauen Höhe der zu Unrecht an den Treuhänder abgeführten Vergütung eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist.

 

Quelle: BAG-Pressemitteilung 34/17 vom 23.08.2017

BAG: Dynamik einer Verweisungsklausel verliert durch einen Betriebsübergang nicht ihre Gültigkeit

  • Eine zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, verliert ihre Dynamik im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber nicht allein aufgrund des Betriebsübergangs. Diese Entscheidung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 30.08.2017 (4 AZR 95/14).
  • Die Klägerin ist seit 1986 als Stationshilfe in einem Krankenhaus beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist eine Verweisung auf den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31.01.1962 (BMT-G II) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) war. Im Jahr 1995 wurde das Krankenhaus privatisiert und nunmehr von einer GmbH betrieben, die ebenfalls tarifgebunden war. Ende 1997 ging der Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt war, auf die K. FM GmbH i.G. über, die nicht Mitglied im KAV war. Im Zusammenhang mit der Ausgliederung vereinbarte die K. FM GmbH i.G. auf der Grundlage eines mit der Veräußererin und ihrem Betriebsrat geschlossenen Personalüberleitungsvertrags mit der Klägerin, dass „der BMT-G II in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge" für das Arbeitsverhältnis der Klägerin „weiterhin" Anwendung findet. In den folgenden sechs Jahren wurde der BMT-G II wie zuvor dynamisch angewandt. Mit Wirkung zum 01.07.2008 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte über, die es weiterhin nach den Regelungen des BMT-G II (Stand: 31.12.2003) durchführte. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA auf ihr Arbeitsverhältnis begehrt. Sie ist - anders als die Beklagte - der Auffassung, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
  • Das BAG hat mit Beschluss vom 17.06.2015 (4 AZR 95/14 (A)) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit dem Unionsrecht ersucht. Mit Urteil vom 27.04.2017 ( C-680/15 - und - C-681/15) hat der EuGH entschieden, dass die RL 2001/23/EG in Verbindung mit Art. 16 GRC der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nicht entgegen steht, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht.
  • Die Revision der Beklagten vor dem BAG war nunmehr erfolglos. Die für die Betriebsveräußererin und die Klägerin verbindliche dynamische Bezugnahmeklausel wirkt auch im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien weiterhin dynamisch. Ein Betriebserwerber kann nach nationalem Recht sowohl - einvernehmlich - im Wege des Änderungsvertrags als auch - einseitig - im Wege der Änderungskündigung (§ 2 KSchG) etwa erforderliche Anpassungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen vornehmen. Unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung zum Zwecke der „Entdynamisierung“ einer Bezugnahmeklausel im Einzelfall sozial gerechtfertigt ist, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung. Die Beklagte hat eine Änderungskündigung nicht erklärt.

 

Quelle: BAG-Pressemitteilung 35/17 vom 30.08.2017

BAG: Änderung der Rechtsprechung des BAG zum Verhalten bei unbilligen Weisungen

  • Der Zehnte Senat des BAG hat gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG bei dessem Fünften Senat angefragt, ob dieser an seiner Rechtsauffassung zur Verbindlichkeit von Weisungen des Arbeitgebers im Anwendungsbereich des § 106 GewO festhält.
  • Der Fünfte Senat hatte bisher angenommen, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts, sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung u. a. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe (BAG 22.02.2012 - 5 AZR 249/).
  • Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf die Anfrage mitgeteilt (5 AS 7/17), dass er an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festhält.

 

Quelle: BAG-Pressemitteilung 37/17 vom 14.09.2017

BAG: Teilzahlungen bei Ratenzahlungsvereinbarung mit einem Gerichtsvollzieher sind selbständig anfechtbar

  • Schließt der vom Arbeitnehmer mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher vor der kritischen Zeit eine Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO (bis zum 31.12.2012: § 806b ZPO), sind die darauf erfolgenden Teilzahlungen selbständig anfechtbar, entschied das BAG am 20.09.2017 (6 AZR 58/16).
  • Erhält der Arbeitnehmer in der sog. „kritischen Zeit“, d. h. in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen (inkongruente Deckung), kann der Insolvenzverwalter die Zahlungen nach Maßgabe des § 131 InsO zur Masse zurückfordern (Insolvenzanfechtung). Der Arbeitnehmer kann in der kritischen Zeit keine Leistung unter Einsatz hoheitlichen Zwangs beanspruchen, durch den er auf das zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichende Vermögen des späteren Insolvenzschuldners zugreift und andere Gläubiger zurücksetzt. Zahlungen, die er im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzt oder die der Arbeitgeber erbringt, um die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen), sind deshalb inkongruent. Schließt der vom Arbeitnehmer mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher vor der kritischen Zeit eine Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO (bis zum 31.12.2012: § 806b ZPO), sind die darauf erfolgenden Teilzahlungen selbständig anfechtbar.
  • Der Beklagte war bis zum 03.05.2010 bei dem Insolvenzschuldner als Fahrer beschäftigt. Das Arbeitsgericht Aachen verurteilte den Schuldner mit Urteil vom 11.01.2011, an den Beklagten rückständiges Entgelt für März bis Mai 2010 von 3.071,42 Euro zu zahlen. Am 21.09.2011 erteilte der Beklagte den Auftrag, aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Gerichtsvollzieherin schloss mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung. Die letzten Raten von insgesamt 1.737,44 Euro wurden am 29.05. und 04.06.2012 gezahlt. Am 30.07.2012 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners gestellt. Am 16.10.2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat die letzten Ratenzahlungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten. Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe den Zwangsvollstreckungsauftrag vor der kritischen Zeit erteilt. Die angefochtenen Zahlungen seien darum nicht unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.
  • Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Auch wenn der Vollstreckungsauftrag vor der kritischen Zeit erteilt worden war, musste der Schuldner damit rechnen, dass der Beklagte sein Einverständnis mit der Zahlungsvereinbarung widerrufen und die Zwangsvollstreckung fortsetzen werde, wenn er die Raten nicht pünktlich zahlte. Das begründete den fortbestehenden Vollstreckungsdruck und damit die Inkongruenz der Zahlungen.

 

Quelle: BAG-Pressemitteilung 38/17 vom 20.09.2017

BAG: Zuschläge für Nachtarbeit sind auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen

  • Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich, soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht, nach § 2 EFZG iVm. § 1 MiLoG. Das BAG entschied am 20.09.2017 (10 AZR 171/16), dass wenn ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vorsieht, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen.
  • Die Klägerin ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie in der Fassung vom 24.02.2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht u. a. einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein „Urlaubsentgelt“ in Höhe des 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.
  • Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 Euro brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.
  • Die Revision der Beklagten blieb vor dem BAG, abgesehen von einer geringen rechnerischen Differenz, ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgeldes“ auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.

 

Quelle: BAG-Pressemitteilung 40/17 vom 20.09.2017

LAG: Arbeitgeber haftet bei unzureichender Sicherung des Betriebsgeländes für Sturmschaden beim Arbeitnehmer

  • Ein Arbeitgeber haftet für einen Sturmschaden, der am Fahrzeug des Arbeitnehmers entstanden ist, wenn er trotz einer Sturmwarnung das Betriebsgelände nicht ausreichend sichert und das Parken auf dem Betriebsgelände gestattet. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf entschied mit Urteil (9 Sa 42/17) vom 11.09.2017.
  • Der Arbeitnehmer parkte sein Fahrzeug auf dem Betriebshof seiner Arbeitgeberin, der beklagten Gemeinde. Diese hatte den Mitarbeitern gestattet, ihre Wagen dort während der Dienstzeit abzustellen. Auf dem Betriebshof befand sich ein Großmüllbehälter. Dieser wurde durch Windeinwirkung gegen den PKW des Arbeitnehmers geschoben, der so stark beschädigt wurde, dass er einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Die Differenz von 1.380 Euro zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert zahlte die klagende Versicherung an den Arbeitnehmer. Die Versicherung verlangt aus übergegangenem Recht von der Gemeinde die Zahlung von 1.380 Euro sowie die Erstattung der Kosten eines Wettergutachtens von 47 Euro.
  • Anders als vor dem AG hatte die Klage vor dem LAG, abgesehen von der Erstattung der 47 Euro, Erfolg. Die beklagte Gemeinde ist zur Erstattung des Schadens von 1.380 Euro verpflichtet. Sie haftet, weil sie ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt hat. Der Umstand, dass deren Großmüllbehälter das Fahrzeug des Arbeitnehmers zerstört hat, indizierte die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Diese Verletzung konnte die Gemeinde nicht ausräumen. Nach der Sturmwarnung vor dem Tief Zoran war sie verpflichtet, ihr Betriebsgelände abzugehen und etwaige Gefahrenquellen zu sichern. Sie hat dies zwar im Grundsatz getan, dabei den Großmüllbehälter aber nicht im Blick gehabt. Der Umstand, dass die Feststellbremsen bei der letzten Leerung am 20.04.2015 ggfs. angezogen worden waren, reichte zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht aus. Es hätte der Kontrolle am 05.05.2015 bedurft. Ohne weiteres hätte auch das Tor geschlossen werden können, das sich zwischen dem parkenden Auto und dem Großmüllbehälter befand. Angesichts einer Windgeschwindigkeit von 85 km/h bzw. einer Windstärke 9 konnte nicht von einem unabwendbaren Ereignis oder einem so starken Sturm, bei dem keine Sicherheitsmaßnahmen mehr helfen, ausgegangen werden. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers hat das Gericht verneint, weil dieser seinen Wagen morgens um 07.00 Uhr zu Arbeitsbeginn auf dem Betriebsgelände parkte und den ganzen Tag über im Außeneinsatz war.
  • Er durfte davon ausgehen, dass die beklagte Gemeinde die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Betriebshofs ergriffen hatte bzw. ergreifen werde. Die Kosten für das Wettergutachten waren im konkreten Fall nicht erstattungsfähig. Die Revision ist nicht zugelassen.

 

Quelle: LAG Düsseldorf-Pressemitteilung 39/17 vom 11.09.2017

AG: Taxifahrer muss seine Arbeitsbereitschaft nicht im Drei-Minuten-Takt bei Standzeit anzeigen

  • Ein Taxiunternehmen kann von einem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen, während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. Das hat das AG Berlin am 10.08.2017 durch Urteil entschieden (41 Ca 12115/16, nicht rechtskräftig).
  • Ein Taxifahrer hatte seinen Arbeitgeber auf Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für sogenannte Standzeiten verklagt. Das Taxameter des vom Taxifahrer genutzten Taxis hat die Besonderheit, dass nach einer Standzeit von drei Minuten ein akustisches Signal ertönt. Der Fahrer hat nach dem Ertönen des Signals zehn Sekunden Zeit, um eine Taste zu drücken. Drückt er diesen Knopf, wird seine Standzeit vom Taxameter als Arbeitszeit aufgezeichnet. Drückt er den Knopf nicht, wird die darauf folgende Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst. Der Taxifahrer meint, ihm sei das Betätigen der Signaltaste nicht zumutbar und auch nicht immer möglich gewesen. Das verklagte Taxiunternehmen war nur bereit, die vom Zeiterfassungssystem als Arbeits- oder Bereitschaftszeit erfasste Zeit zu vergüten.
  • Das AG hat dem Taxifahrer jetzt überwiegend Recht gegeben. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit sei, einen Fahrauftrag auszuführen, seien Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst und deshalb mindestlohnpflichtig. Die vom Taxiunternehmen getroffene Regelung bezüglich des Signalknopfes verstoße gegen das BDSG. Dieses verbiete eine unverhältnismäßige Erfassung von Daten des Taxifahrers. Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitsbereitschaft des Taxifahrers zu kontrollieren, erfordere keine so enge zeitliche Überwachung.
  • Abgewiesen hat das AG die Klage allerdings im Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Der Taxifahrer sei verpflichtet gewesen, diese einzuhalten. Dies sei ihm auch möglich gewesen, da er den Beginn und die Dauer der Ruhepausen selbst bestimmen konnte.
  • Gegen das Urteil vom AG Berlin hat das Taxiunternehmen Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg einlegt.

 

Quelle: AG Berlin-Pressemittelung 15/17 vom 16.08.2017

AG: Fußballschauen während der Arbeitszeit rechtfertigt Abmahnung

  • Das AG Köln hat mit Urteil vom 28.08.2018 (20 Ca 7940/16) entscheiden, dass einem Arbeitnehmer eines Automobilzulieferers zu Recht eine Abmahnung wegen Fußballschauens während der Arbeitszeit erteilt worden ist.
  • Der Arbeitnehmer hatte mit seiner auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte gerichteten Klage keinen Erfolg. Das AG Köln hielt die Abmahnung nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme für gerechtfertigt. Zur Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass nach Aussage der beiden Zeugen der Kläger jedenfalls für einen Zeitraum von 30 Sekunden ein Fußballspiel auf einem dienstlichen Computer angesehen und damit seine Arbeitsleistung während dieser Zeit nicht erbracht hat.
  • Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim LAG Köln eingelegt werden.

 

Quelle: AG Köln-Pressemitteilung vom 28.08.2017

BSG: Keine Sperrzeit nach Altersteilzeit

  • Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 12.09.2017 in einem Urteil entschieden (B 11 AL 25/16 R), dass eine Sperrzeit nicht eintritt, wenn eine Arbeitnehmerin am Ende der Altersteilzeit entgegen ihrer ursprünglichen Planung nicht sofort Altersrente in Anspruch nimmt, sondern zunächst Arbeitslosengeld beantragt, weil sie - bedingt durch eine Gesetzesänderung - zu einem späteren Zeitpunkt abschlagsfrei in Rente gehen kann. In einem solchen Fall sei ein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 SGB III gegeben, der nicht wegen der späteren Planänderung entfalle.
  • Die Klägerin schloss 2006 mit der Stadtverwaltung, bei der sie seit 1982 beschäftigt war, einen Altersteilzeitvertrag, der das bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis als Bürofachkraft in ein bis 30.11.2015 befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte. Sie hatte ursprünglich beabsichtigt, nach Ende der Freistellungsphase vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen. Davon nahm sie erst Abstand, als zum 01.07.2014 eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte eingeführt worden war und meldete sich deshalb zum 01.12.2015 arbeitslos. Die Beklagte lehnte aber die Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit für einen Zeitraum von zwölf Wochen ab. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Ab 01.03.2016 bezog die Klägerin Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
  • Das SG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das LSG die Sperrzeit im Grundsatz bestätigt. Die Dauer der Sperrzeit sei aber wegen einer besonderen Härte auf sechs Wochen zu verkürzen, weswegen die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt hat.
  • Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das BSG hat entschieden, dass das Verhalten der Klägerin den Eintritt einer Sperrzeit nicht rechtfertigt. Die Klägerin hat ihr Beschäftigungsverhältnis zwar dadurch gelöst, dass sie durch eine Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat, wodurch sie nach dem Ende der Freistellungsphase zum 01.12.2015 beschäftigungslos geworden ist. Jedoch kann sich die Klägerin für ihr Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen. Für den Fall der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag hatte das BSG bereits mit Urteil vom 21.07.2009 (B 7 AL 6/08 R) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen kann, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine entsprechende Annahme bei prognostischer Betrachtung objektiv gerechtfertigt ist. Dies war bei der Klägerin der Fall.
  • Dass sie von ihren ursprünglichen Plänen dann im Jahre 2014 Abstand genommen hat, weil sich für sie - nachträglich - die Möglichkeit ergab, drei Monate nach dem geplanten Rentenbeginn Altersrente ohne Abschlag zu beziehen, ist für die Beurteilung des wichtigen Grundes unerheblich. Dieser ist nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin entgegen ihrer ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist inhaltlich und auch zeitlich allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen.

 

Quelle: BSG-Pressemitteilung 43/2017 vom 12.07.2017

LSG: Anästhesist einer Klinik ist abhängig beschäftigt

  • Abhängig Beschäftigte sind sozialversicherungspflichtig. Als Beschäftigung gilt die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation. Bei einem im OP-Bereich einer Klinik tätigen Facharzt für Anästhesiologie sei regelmäßig von einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht in einem am 22.08.2017 veröffentlichten Urteil vom 10.08.2017 (L 1 KR 394/15).
  • Ein Facharzt für Anästhesiologie aus dem Landkreis Offenbach war für verschiedene Kliniken in deren Anästhesieabteilung tätig. Die Vergütung erfolgte auf Stundenbasis.
  • Auf den Statusfeststellungsantrag einer Klinik stellte die Deutsche Rentenversicherung fest, dass der Anästhesist eine abhängige Beschäftigung ausübe und daher Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Hiergegen klagte der Anästhesist. Er sei nicht abhängig beschäftigt, da er nicht an Besprechungen des Operationsteams habe teilnehmen müssen und sich den Operationssaal frei habe auswählen können. Eine honorarärztliche Tätigkeit sei gesetzlich vorgesehen. Die Ablehnung einer selbstständigen Tätigkeit würde eine massive Beschränkung der freien Berufsausübung der Ärzte bedeuten.
  • Die Richter beider Instanzen gaben der Rentenversicherung Recht. Der Facharzt für Anästhesiologie sei für die Klinik als abhängig Beschäftigter tätig gewesen. Er sei in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. So habe er die Arbeitsgeräte der Klinik genutzt, ohne die er seine Tätigkeit nicht hätte ausüben können. Er habe mit der Klinik abgesprochen, auf welchen Stationen und in welchen Schichten er im Rahmen des im Krankenhaus organisierten Ablaufs tätig sein soll und sei Teil eines Teams aus Pflegekräften und Ärzten gewesen. Zudem habe der Anästhesist einen festen Stundenlohn erhalten und kein Unternehmerrisiko getragen. Auch könne er sich nicht auf die Ausnahmeregelung für Notärzte im Rettungsdienst, deren Einnahmen nicht beitragspflichtig seien, berufen.
  • Das Hessische LSG hat bereits zuvor entschieden, dass eine OP-Krankenschwester (L 8 KR 84/13) wie auch eine Pflegefachkraft in einem Pflegeheim (L 1 KR 551/16) regelmäßig abhängig beschäftigt sind.

 

Quelle: LSG-Pressemitteilung 12/17 vom 22.08.2017

LSG: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt auch bei Auslandsaufenthalt

  • Eine in Deutschland getroffene Feststellung von Arbeitsunfähigkeit als Grundlage für den Erhalt von Krankengeld verliert grundsätzlich ihre Wirkung nicht dadurch, dass sich der Versicherte danach überwiegend im EU-Ausland aufhält. Dies hat das LSG Rheinland-Pfalz in einem am 25.08.2017 veröffentlichten Urteil vom 06.07.2017 (L 5 KR 135/16) entschieden.
  • Die 1970 geborene, bei der beklagten deutschen Krankenkasse krankenversicherte Klägerin war als Busfahrerin beschäftigt. Sie wohnte als Grenzgängerin in Spanien und arbeitete in Deutschland. Die Beklagte zahlte ihr nach Ablauf der Entgeltfortzahlung für die Zeit ab dem 04.06.2011 Krankengeld zunächst bis zum 26.10.2011. Am 26.10.2011 bestätigte der behandelnde Arzt fortlaufende Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres. Mit Bescheid vom 24.11.2011 lehnte die Beklagte das Krankengeld ab diesem Tag ab, da die Klägerin der in ihrem Schreiben geäußerten Bitte, sich bis zum 23.11.2011 bei ihr telefonisch zu melden, nicht nachgekommen sei. Mit Bescheid vom gleichen Tag teilte sie der Klägerin mit: „Sie informierten uns, dass Sie nach Spanien umgezogen sind. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht in diesem Fall nicht mehr, da Sie nach § 16 SGB V nur Anspruch auf Leistungen haben, solange Sie sich in Deutschland aufhalten.“
  • Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Abgesehen von dem Wohnsitz in Spanien fehle es auch an einer lückenlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Mit ihrer Klage vor dem SG Trier hatte die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg. Sie habe ab dem 24.11.2011 keinen Anspruch auf Krankengeld. Es könne offenbleiben, ob sie arbeitsunfähig krank gewesen sei. Denn ein etwaiger Anspruch sei gemäß § 16 SGB V zum Ruhen gekommen.
  • Dem ist das LSG in seiner Entscheidung nicht gefolgt. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum sei lückenlos ärztlich festgestellt, denn hierfür genüge eine entsprechende Feststellung „bis auf weiteres“. Diese Feststellung gelte auch bei einem Auslandsaufenthalt weiter. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ein Anspruch der Klägerin nicht nach § 16 SGB V ausgeschlossen. Die EU-rechtlichen Bestimmungen gingen dieser Norm vor. Nach Art. 21 Abs. 1 VO (EG) 883/04 habe ein Versicherter, der in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedsstaat wohne oder sich dort aufhalte, Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger (hier: die beklagte Krankenkasse) nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften gewährt werden.
  • Nach Art. 21 Abs. 1 VO (EG) 883/04 sei der Versicherte, obwohl er in einem anderen Staat wohne (hier: Spanien) zudem so zu stellen, als ob er im zuständigen Staat (hier: Deutschland) wohnen würde. Bei Wohnort (und Aufenthaltsort) in Deutschland wäre jedoch § 16 SGB V gerade nicht anwendbar.

 

Quelle: LSG Rheinland-Pfalz-Pressemitteilung vom 25.08.2017

LSG: Kein Arbeitsunfall bei Sturz einer von einem Dritten organisierten Bierwanderung

  • Nehmen nur einige Mitarbeiter an einer durch Dritte organisierten Großveranstaltung teil, so besteht kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz. Dies entschied das Hessische LSG mit Urteil vom 07.08.2017 (L 9 U 205/16), veröffentlicht am 30.08.2017.
  • Die klagende Arbeitnehmerin arbeitete als Lohnbuchhalterin bei einer Steuerfachanwaltskanzlei mit insgesamt zehn Beschäftigten. Sie und die beiden Kolleginnen aus der Buchhaltungsabteilung nahmen an einer von einem Sportverein ausgerichteten Bierwanderung teil. Dabei liefen sie einen Parcours von 7 km mit mehreren Stationen ab. Beim Ausklang der Bierwanderung nach 22 Uhr stürzte die 58-jährige Frau und verletzte sich am linken Unterarm. Den Antrag der Frau auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls lehnte die Berufsgenossenschaft ab. Die Veranstaltung habe nicht dem Zweck gedient, die Betriebsverbundenheit zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern zu fördern. Es habe sich vielmehr um eine private Veranstaltung der Mitarbeiterinnen gehandelt. Zudem sei die von einem Sportverein veranstaltete Wanderung, an welcher 2.500 Personen teilgenommen hätten, nicht unternehmensbezogen organisiert worden.
  • Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar stünden auch Unfälle im Rahmen betrieblicher Gemeinschaftsveranstaltungen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Verunglückt ein Arbeitnehmer bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit, so steht der Arbeitsunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt auch, wenn der Unfall sich während des Betriebssports oder einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ereignet. Voraussetzung sei jedoch, dass der Arbeitgeber die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführe oder durchführen lasse. Die Teilnahme müsse allen Beschäftigen offen stehen und objektiv möglich sein. Zudem müsse die Veranstaltung darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. Dies sei dann nicht der Fall, wenn Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder sportliche bzw. kulturelle Interessen im Vordergrund stünden. Die Veranstaltung müsse zudem im Wesentlichen allein für die Beschäftigten angeboten werden.
  • Nehmen lediglich drei von zehn Mitarbeitern an der Veranstaltung teil, sei bereits fraglich, ob es sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handele, so das LSG Hessen. Jedenfalls fehle es aber an einer eigenen Programmgestaltung der Steuerfachanwaltskanzlei. Auch ein Zusatz- oder Rahmenprogramm sei nicht ersichtlich. Damit handele es sich um keine eigenständige betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, sondern dem äußeren Erscheinungsbild nach lediglich um die Teilnahme an einer von einem Sportverein organisierten Großveranstaltung, die nicht nur den Beschäftigten, sondern jedermann offen gestanden habe. Die Richter verwiesen außerdem darauf, dass weder die Unternehmen noch deren Beschäftigte es in der Hand hätten, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auszuweiten. Dementsprechend käme es auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Teilnahmekosten übernehme und die Mitarbeiter verpflichte, während der Veranstaltung betriebliche Kleidung zu tragen.
  • Eine Wanderung von Bierstation zu Bierstation sei zudem nicht als Betriebssport gesetzlich unfallversichert.

 

Quelle: LSG Hessen-Pressemitteilung 14/17 vom 30.08.2017

FG: Trockenes Brötchen und Heißgetränk kein lohnsteuerliches Frühstück

  • Das Finanzgericht (FG) Münster hat mit Urteil vom 31.05.2017 (Az. 11 K 4108/14), veröffentlicht am 01.10.2017 entschieden, dass trockene Brötchen in Kombination mit Heißgetränken kein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug in Form eines Frühstücks darstellt.
  • Die Klägerin, ein Softwareunternehmen mit 80 Mitarbeitern, bestellte im Streitzeitraum täglich ca. 150 Brötchen (Laugen-, Käse-, Schoko- und Roggenbrötchen etc.), die in Körben auf einem Buffet in der Kantine für Mitarbeiter sowie für Kunden und Gäste zum Verzehr zur Verfügung standen. Dabei wurden nur die Brötchen, aber kein Aufschnitt oder sonstige Belege durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt.. Zudem konnten sich die Arbeitnehmer, Kunden und Gäste ganztägig unentgeltlich aus einem Heißgetränkeautomaten bedienen. Ein Großteil der Brötchen wurde von den Arbeitnehmern in der Vormittagspause verzehrt. Das Finanzamt sah hierin eine unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Mahlzeit an Arbeitnehmer in Form eines Frühstücks, welches als Sachbezug mit den amtlichen Sachbezugswerten von 1,50 € bis 1,57 € je Mitarbeiter und Arbeitstag zu besteuern sei. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG Münster statt.
  • Ein trockenes Brötchen und ein Heißgetränk seien kein Sachbezug in Form eines „Frühstücks“ im Sinne von § 8 Abs.2 Satz 6 EStG i. V. m. § 2 Abs. 1 SvEV. Zu den Mindeststandards eines Frühstücks gehöre nach dem allgemeinen Sprachgebrauch neben Brötchen und Getränken auch ein entsprechender Brotaufstrich. Im Streitfall handele es sich deshalb um einen Sachbezug in Form von „Kost“ im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 EStG, was zur Folge habe, dass eine andere Freigrenze Anwendung finde, welche im Streitfall nicht überschritten worden sei. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage hat der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, welche dort unter dem Aktenzeichen VI R 36/17 anhängig ist.

 

Quelle: FG Münster-Pressemittelung Nr. 12 vom 02.10.2017