Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat die Klage des ehemaligen Chorleiters und Organisten einer katholischen Kirchengemeinde auf Schadensersatz gerichtet auf entgangene Vergütung für die Vergangenheit von 275.067 Euro sowie für die Zeit ab Januar 2017 von monatlich 1.449 Euro mit Urteil (12 Sa 757/17) vom 12.09.2018 abgewiesen. Die Klage gegen die Kirchengemeinde und gegen das Bistum Essen war erfolglos, weil rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Kirchengemeinde durch die Kündigung am 15.07.1997 zum 31.03.1998 aufgrund der Eingehung einer neuen Partnerschaft nach Trennung von seiner Ehefrau sein Ende gefunden hat. Dies haben die deutschen Gerichte in vorangegangenen Verfahren abschließend entschieden. Den Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) durch die Beklagten, die diese Entscheidungen durchbrechen könnte, hat der Kläger nicht geführt.
Die Kirche hat sich – entgegen dem Vorwurf des Klägers – nicht in vorsätzlicher Weise die rechtskräftigen Urteile erschlichen, indem sie den staatlichen Gerichten in den Jahren 1997 bis 2000 in Wahrheit nicht existierende kirchenrechtliche Kündigungsgründe vorgetragen hat. Die dauerhafte außereheliche Beziehung des Klägers war nach kirchenrechtlichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet. Zwar wird als Regelbeispiel in Art. 5 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993 (GrO) nur der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis ungültigen Ehe genannt. Der Kläger hat nicht erneut geheiratet. Die Regelbeispiele sind aber weder nach dem Wortlaut noch nach der Begründung der GrO abschließend. Auch das Unterhalten einer dauerhaften außerehelichen Beziehung stellte einen Verstoß gegen den katholischen Grundsatz der ausschließlichen und lebenslangen Natur der Ehe dar. Dieser ist zwar nicht Regelbeispiel, kann aber im Einzelfall als sonstige schwerwiegende Verfehlung im Sinne von Art. 5 GrO angesehen werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht beanstandet, sondern so wörtlich ausgeführt, dass dies „an sich kein Problem darstellt“.
Die Kirche hat im damaligen Kündigungsschutzverfahren nicht bewusst falsch oder unvertretbar vorgetragen, dass der Kläger als Kirchenmusiker eine Nähe zum Verkündigungsauftrag gehabt habe. Insoweit hat der EGMR beanstandet, dass die deutschen Gerichte dies nicht ausreichend geprüft hätten. Die katholische Kirche hat sich in zumindest vertretbarer Weise auf den Standpunkt gestellt, dass für den Kläger als Kirchenmusiker und somit Mitarbeiter im liturgischen Dienst gesteigerte Loyalitätsanforderungen zu stellen sind. So geht bereits das Zweite Vatikanische Konzil davon aus, dass die Kirchenmusik einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmacht. Im sog. Chefarzturteil vom 11.09.2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ausgeführt, dass sich eine berechtigte berufliche Anforderung einer Kirche aus der Tätigkeit ergeben kann, z.B. wenn sie mit der Mitwirkung an der
Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden ist. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, die zur Durchbrechung der Rechtskraft der ergangenen Urteile führt, ist nicht gegeben, zumal die Kontroverse um die Frage, ob die Kirchenmusiker als Mitarbeiter des liturgischen Dienstes am Verkündigungsauftrag teilnehmen, bereits Gegenstand des ersten Kündigungsschutzverfahrens war.
Da die Entscheidung des EGMR für den Kläger kein Grund zur Wiederaufnahme des ursprünglichen Kündigungsschutzverfahrens ist, hatte das LAG keine vollständige neue inhaltliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung vorzunehmen. Eine Durchbrechung der Rechtskraft der bisherigen Entscheidungen auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs kam nicht in Betracht, weil die dafür gegebenen strengen Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EGMR nicht gegeben sind.
Das LAG hat die Revision zugelassen.
Quelle: LAG Düsseldorf-Pressemitteilung 41/18 vom 12.09.2018
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