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Wirksamkeit eines Kopftuchverbots; mittelbare Ungleichbehandlung; Anwendungsvorrang des Unionsrechts; Vorabentscheidungsersuchen

Orientierungssätze des Beschlusses des BAG vom 30.01.2019 – 10 AZR 299/18 (A) -:

1. Das Verbot eines Unternehmens der Privatwirtschaft, auffällige großflächige Zeichen religiöser, politischer oder sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen am Arbeitsplatz zu tragen, kann gegen § 106 GewO, § 7 AGG, § 134 BGB verstoßen, wenn darin zugleich eine unzulässige mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG liegt (Rn. 45 f.).

2. Mit dem AGG wird ua. die Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt und damit Unionsrecht durchgeführt. Für dessen Auslegung ist der Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) zuständig. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts bittet den Gerichtshof daher im Weg eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV darum, vier Fragen zu beantworten, die die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG und der GRC betreffen (Rn. 47).

3. Die Frage zu 1. behandelt die Unklarheit, ob nur ein Verbot, das alle sichtbaren Formen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Bekundungen am Arbeitsplatz verbietet, geeignet iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG ist, eine unternehmerische Politik der Neutralität zu verfolgen, oder ob dies auch bei einem auf auffällige großflächige Zeichen beschränkten Verbot der Fall sein kann (Rn. 48 ff.).

4. Mit der Vorlagefrage zu 2a) möchte der Senat wissen, ob ein auf auffällige großflächige Zeichen beschränktes Bekundungsverbot, für das sich der Arbeitgeber auf die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GRC berufen kann, stets angemessen iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG ist oder ob die unternehmerische Freiheit mit der durch Art. 10 GRC und Art. 9 EMRK gewährleisteten Religionsfreiheit abzuwägen ist (Rn. 68 ff.).

5. Sofern die unions- und konventionsrechtlich geschützte Religionsfreiheit nicht bei der Prüfung berücksichtigt werden kann, ob ein Bekundungsverbot angemessen iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG ist, stellt sich für den Senat die Frage zu 2b), ob die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit als günstigere Regelung iSv. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG Eingang in die Prüfung der Angemessenheit finden kann (Rn. 87 ff.).

6. Kann die mehrdimensional geschützte Religionsfreiheit bei der Prüfung, ob ein Bekundungsverbot angemessen ist, nicht berücksichtigt werden, ist aus Sicht des Senats mit der Frage zu 3. zu klären, ob Art. 16 GRC und der Anwendungsvorrang primären Unionsrechts die Einbeziehung nationaler Grundrechte in die Prüfung, ob eine Weisung nach § 106 GewO wirksam ist, insgesamt ausschließen oder ob der in Art. 16 GRC enthaltene Vorbehalt die Anwendung nationaler Rechte ermöglicht (Rn. 99 ff.).