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Ordentliche Kündigung; Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung; Auflösungsantrag

Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 378/18 -:

1. Die Schwerbehindertenvertretung ist vor jeder Beendigungs- und Änderungskündigung zu beteiligen. Das gilt auch für Kündigungen in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX aF (§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nF) findet weder direkte noch analoge Anwendung (Rn. 12).

2. Die Unwirksamkeitsfolge des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX aF (§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF) greift nicht ein, wenn der Arbeitgeber „lediglich“ die Mitteilungspflicht nach § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX aF (§ 178 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX nF) verletzt (Rn. 14).

3. Zur Abwendung der Unwirksamkeitsfolge genügt es nach § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 SGB IX aF (§ 178 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 SGB IX nF), wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß anhört. Die Anhörung muss nicht schon vor der Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats oder vor dem Antrag auf Zustimmung an das Integrationsamt erfolgen (Rn. 19).

4. An einer ordnungsgemäßen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung fehlt es, wenn diese schon nicht ausreichend unterrichtet worden ist. Die Unterrichtung muss die Schwerbehindertenvertretung in die Lage versetzen, auf die Willensbildung des Arbeitgebers einzuwirken. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Der notwendige Unterrichtungsinhalt ist nicht auf „schwerbehindertenspezifische Kündigungsbezüge“ reduziert (Rn. 21).

5. An einer ordnungsgemäßen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung mangelt es auch, wenn diese zwar ausreichend unterrichtet worden ist, aber keine genügende Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Hinsichtlich der Stellungnahmefristen findet § 102 Abs. 2 BetrVG analoge Anwendung. Eine entsprechende Anwendung der Fristenregelungen in den ggf. einschlägigen Personalvertretungsgesetzen scheidet aus (Rn. 22 f.).

6. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX aF (§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF) stellt einen sonstigen, zumindest auch den Arbeitnehmer schützenden Unwirksamkeitsgrund dar, der einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG „sperrt“ (Rn. 35).

Aus den Entscheidungsgründen:

Hinsichtlich der Stellungnahmefristen enthält das Gesetz seit Einführung der Unwirksamkeitsfolge eine planwidrige Regelungslücke. Sie ist durch eine analoge Anwendung von § 102 Abs. 2 BetrVG zu schließen … Eine entsprechende Anwendung der Fristenregelungen in dem ggf. einschlägigen Personalvertretungsgesetz scheidet aus … Es ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber das für private und öffentliche Arbeitgeber unterschiedslos vorgesehene Verfahren zur Anhörung der Schwerbehindertenvertretung insofern verschieden ausgestalten und sogar innerhalb des öffentlichen Dienstes – teils erheblich – unterschiedliche Fristenregime eingreifen lassen wollte. Vor allem ist die Schwerbehindertenvertretung – wie der Betriebsrat – in jedem Fall „lediglich“ anzuhören, während die Personalvertretungsgesetze Kündigungen teils einem Mitwirkungs- oder sogar Mitbestimmungserfordernis unterwerfen (Rn. 23).

 

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