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Nachtarbeitszuschläge für Dauernachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG; Merkmal des angemessenen Zuschlags; tatrichterlicher Beurteilungsspielraum; notwendiger Inhalt der Revisionsbegründung

Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 15.07.2020 – 10 AZR 123/19 -:

 

1. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG sollen Nachtarbeitnehmer einen angemessenen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen erhalten. Soweit die Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründet, wirkt sie gesundheitsschützend. Ist ein Nachtarbeitszuschlag vorgesehen, wirkt er sich auf die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers nicht aus. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg Nachtarbeit einzudämmen. Nachtarbeit soll für Arbeitgeber weniger attraktiv sein. Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag den Arbeitnehmer in einem gewissen Umfang für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (Rn. 28).

 

2. Ein Zuschlag iHv. 25 % auf das jeweilige Bruttostundenentgelt oder die Gewährung einer entsprechenden Zahl von bezahlten freien Tagen stellt regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar. Wird die reguläre Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit erbracht, erhöht sich der Anspruch in der Regel auf 30 % (Rn. 30 ff.).

 

3. Bei dem Merkmal „angemessen“ iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Er ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (Rn. 36).

 

4. Ist Nachtarbeit aufgrund überragender Gründe des Gemeinwohls unvermeidbar, kann der mit dem Nachtarbeitszuschlag verfolgte Lenkungszweck, Nachtarbeit zu verteuern und auf diese Weise möglichst einzuschränken, nicht erreicht werden. In diesem Fall kann auch ein Zuschlag von weniger als 25 % - oder 30 % bei Dauernachtarbeit – als angemessen iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG anzusehen sein. Ein Abschlag von zehn Prozentpunkten kann sich noch im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Tatsachengerichts halten (Rn. 39 ff.).

 

5. Art. 8 bis 12 der Richtlinie 2003/88/EG machen keine Vorgaben für die Höhe des als angemessen anzusehenden Nachtarbeitszuschlags nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Konkrete Vorgaben zu der Höhe einer Entschädigung in Geld oder eines finanziellen Ausgleichs für Nachtarbeiter ergeben sich auch nicht aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG iVm. Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 des Übereinkommens 171 (1990) der Internationalen Arbeitsorganisation über Nachtarbeit (Rn. 50 ff.).

 

6. § 551 ZPO dient dem Zweck, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Revisionsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf eine Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens in der Revisionsinstanz hinzuwirken. Allein aus der Revisionsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Revisionskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des angegriffenen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will. Die Rüge im Revisionsverfahren, die Berufung des Gegners sei bezüglich eines Streitgegenstands nicht hinreichend begründet und damit unzulässig, kann eine hinreichende Begründung der Revision iSv. § 551 ZPO sein (Rn. 18).