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Ersatz eines Personenschadens; materieller und immaterieller Schaden; Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls; doppelter Vorsatz; Herbeiführung des Versicherungsfalls auf einem nach § 8 Abs. 2

Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 28.11.2019 – 8 AZR 35/19 -:

1. Die Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet sind, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben, ist verfassungsgemäß. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungen der Unfallversicherung den Personenschaden in jeder Hinsicht kompensieren (Rn. 23 und 25).

2. Eine vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungsfalls setzt einen „doppelten Vorsatz“ voraus. Der Vorsatz des Schädigers muss sowohl die Verletzungshandlung als auch den Verletzungserfolg umfassen (Rn. 46).

3. Nach § 108 Abs. 1 SGB VII ist ein Gericht, das über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art zu entscheiden hat, an eine unanfechtbare Entscheidung nach dem SGB VII oder nach dem Sozialgerichtsgesetz in der jeweils geltenden Fassung gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Absatz 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt das Gericht dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.

4. Damit ist den Stellen, die für die Beurteilung sozialrechtlicher Fragen originär zuständig sind – also den Unfallversicherungsträgern und den Sozialgerichten – hinsichtlich der Beurteilung bestimmter unfallversicherungsrechtlicher Vorfragen der Vorrang vor den Zivil- und Arbeitsgerichten eingeräumt. Ziel von § 108 SGB VII ist es, eine einheitliche Bewertung zu gewährleisten, divergierende Beurteilungen und damit für den Geschädigten untragbare Konsequenzen zu vermeiden. Der Vorrang ist von Amts wegen zu berücksichtigen (Rn. 29 ff.).

5. Nicht von der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII sind Fragen erfasst, die allein von den Zivil- bzw. Arbeitsgerichten zu entscheiden sind. Dies betrifft nicht nur die Frage, ob ein Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII bzw. § 105 SGB VII aufgrund einer vorsätzlichen Schädigung ausgeschlossen ist, der Versicherungsfall also vorsätzlich herbeigeführt wurde, sondern auch die Frage, ob der Arbeitsunfall und damit der Versicherungsfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg (Wegeunfall) herbeigeführt wurde.