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Betriebsratsmitglied; Reisekosten; Fahrgemeinschaft

Anschließend die Orientierungssätze des Beschlusses des BAG vom 24.10.2018 – 7 ABR 23/17 -:

1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten eines Betriebsratsmitglieds, die anlässlich seiner Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind. Allerdings hat das Betriebsratsmitglied unter dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken (Rn. 10 ff.).

2. Danach hat das Betriebsratsmitglied für Reisen zu Schulungsveranstaltungen grundsätzlich das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen. Zwar besteht grundsätzlich keine Pflicht, einen privaten PKW einzusetzen. Entschließt sich das Betriebsratsmitglied aber, bei einer von mehreren Betriebsratsmitgliedern durchzuführenden Reise seinen privaten Pkw zu nutzen, ist es für ihn und die anderen Betriebsratsmitglieder grundsätzlich zumutbar, eine Fahrgemeinschaft zu bilden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Bildung einer Fahrgemeinschaft aufgrund besonderer, vom Betriebsratsmitglied darzulegender Umstände im Einzelfall als nicht zumutbar erscheint, zB wenn die begründete Besorgnis besteht, dass der Mitfahrende sich dadurch in eine besondere Gefahr begibt (Rn. 12).

Aus den Gründen:

Durch das Erfordernis zur Darlegung der Gründe, die aus seiner Sicht eine Fahrgemeinschaft mit einem Kollegen als unzumutbar erscheinen lassen, wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betriebsratsmitglieds nach Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 GG nicht verletzt (Rn. 14).

Die Obliegenheit zur Mitteilung der die Unzumutbarkeit einer Fahrgemeinschaft begründenden Umstände bewirkt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG scheidet aus, weil behinderte Menschen durch die Obliegenheit keine weniger günstige Behandlung erfahren als andere Personen in einer vergleichbaren Situation. Es besteht auch keine mittelbare Benachteiligung gem. § 3 Abs. 2 AGG, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Mitteilungsobliegenheit behinderte Menschen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann (Rn. 15).

Die Bildung von Fahrgemeinschaften ist nicht aufgrund von allgemeinen Unfall-, Verletzungs- und Haftungsrisiken des Straßenverkehrs unzumutbar. Diesen Risiken setzt sich ein Betriebsratsmitglied bereits dadurch aus, dass es sich aufgrund eigenen Willensentschlusses für die Fahrt mit dem Pkw entscheidet. Im Übrigen ist das Betriebsratsmitglied gegen diese Risiken versichert. In Bezug auf die Haftung nach § 7 Abs. 1, §§ 11, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB besteht in der Regel ein direkter Anspruch des Geschädigten gegen die obligatorische Haftpflichtversicherung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG. Für Vermögensschäden, die nicht von der Versicherung abgedeckt sind, gelten die Grundsätze über einen innerbetrieblichen Schadensausgleich auch für Fahrten, die ein Betriebsratsmitglied im Rahmen einer erforderlichen Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben unternimmt. Ist ein Mitglied des Betriebsrats nach einer betrieblichen Reisekostenregelung gehalten, bei einer Benutzung seines privaten Fahrzeugs eine Fahrgemeinschaft mit anderen Mitgliedern des Betriebsrats zu bilden, hat der Arbeitgeber ihn unter denselben Voraussetzungen von unfallbedingten Vermögensschäden freizustellen wie einen Arbeitnehmer, der sein Privatfahrzeug zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nutzt (vgl. dazu BAG 22. Juni 2011 – 8 AZR 102/10 – Rn. 35 f.; 28. Oktober 2010 – 8 AZR 647/09 – Rn. 20 ff.). Bei Personenschäden kann sich das Mitglied des Betriebsrats auf die Bestimmung des § 105 Abs. 1 SGB VII berufen, die eine privatrechtliche Haftung bei durch Arbeitskollegen verursachten Versicherungsfällen für Personenschäden ausschließt, wenn der Unfall weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b SGB VII versicherten Weg herbeigeführt worden ist (Rn. 16).

Die Bildung von Fahrgemeinschaften ist auch nicht wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Überprüfung von privaten und unternehmerisch genutzten Kraftfahrzeugen auf ihre Verkehrssicherheit unzumutbar. Ein Privatfahrzeug eines Arbeitnehmers wird aber nicht durch den gelegentlichen Einsatz für eine Fahrt im Geschäftsbereich des Arbeitgebers zu einem unternehmerisch genutzten Fahrzeug, das deshalb einer erhöhten Überprüfungspflicht unterliegt (Rn. 17).

Die Feststellung der persönlichen Eignung des Fahrers bei der Erteilung der Fahrerlaubnis nach §§ 11, 22 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gewährleistet bei Fahrten zur Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratstätigkeit im privaten PKW grundsätzlich auch eine hinreichende Gewähr dafür, dass der Fahrerlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Weitergehende Anforderungen, die nach § 48 FeV an die persönliche Eignung des Fahrzeugführers bei der professionellen Fahrgastbeförderung gestellt werden, bestehen für Fahrten von Betriebsratsmitgliedern in Privatfahrzeugen zu Schulungsveranstaltungen nicht (Rn. 18).

Die Obliegenheit, im Rahmen des Zumutbaren Fahrgemeinschaften zu bilden, steht auch im Einklang mit der bei der Arbeitgeberin bestehenden betrieblichen Reisekostenordnung, wonach „in allen Fällen, wo dies möglich ist, Fahrgemeinschaften zu bilden sind (II 4 a der Reisekostenordnung). Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller durch die Obliegenheit, mit seinem Betriebsratskollegen eine Fahrgemeinschaft zu bilden, nicht nach § 78 Satz 2 BetrVG wegen seines Betriebsratsamts benachteiligt wird. Die Arbeitgeberin wendet diese Bestimmung der Reisekostenordnung auf dienstlich veranlasste Fahrten anderer Arbeitnehmer an, sodass eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung des Antragstellers faktisch nicht erfolgt (Rn. 19).

 

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