Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20 -:
1. Die Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Maßgeblich dafür, ob sie unverzüglich erfolgte, ist ihr Zugang beim Erklärungsempfänger. Als Sondervorschrift für die Anfechtung gem. §§ 119, 120 BGB findet die Regelung in § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB keine, auch keine analoge Anwendung (Rn. 13).
2. Entsprechend den zu § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgestellten Grundsätzen muss die Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB nicht sofort erfolgen, sondern nur ohne schuldhaftes Zögern. Dem Erklärungsempfänger ist eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rats eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Vorlage eines Vollmachtbelegs zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist ohne Vorliegen besonderer Umstände nach mehr als einer Woche nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB (Rn. 14).
3. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber in Kenntnis gesetzt, dass er eine Person in die Stellung als Personalleiter berufen hat, ist dies üblicherweise dahin zu verstehen, dass die Person die alleinige Vertretungsmacht hat, für ihn die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu erklären. Die Zurückweisung einer vom Personalleiter unterzeichneten Kündigung ist in diesem Fall nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Eine Praxis, Kündigungen außerdem von einem weiteren Mitarbeiter unterschreiben zu lassen, besagt für sich genommen nicht, die Bevollmächtigung des Personalleiters sei im Außenverhältnis auf eine Gesamtvertretungsmacht beschränkt (Rn. 17 ff.).
4. Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat im Falle einer Vertragspflichtverletzung ua. zum Gegenstand, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, etwa eine Abmahnung oder fristgerechte Kündigung zumutbar war. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen. Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung. Dieses bestimmt sich unabhängig von einer Wiederholungsgefahr und sonstigen Umständen, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können – wie einem bislang unbelasteten Arbeitsverhältnis oder einer nach der Pflichtverletzung gezeigten Reue – allein nach der Pflichtwidrigkeit und den Umständen ihrer Begehung, also insbesondere ihrer Art und ihrem Ausmaß, ihren Folgen, dem Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers und der Situation, in der sie sich ereignete (Rn. 27).