LOHN+GEHALT special November 2021 15 das Entgelt abrechnungssystem als führende Datenbank eingegeben und bewegen sich von dem Moment an auf der digitalen Schiene weiter. Penibel ausgearbeitete Richtlinien regeln den Datenaustausch – und zwar von den notwendigen Anga- ben bei einer Neuanmeldung bis zur Frage, wie ein Datensatz von A nach B übermittelt wird. Nun ließe sich leicht einwenden: „Es gibt dort einheitliche Ver- sorgungszusagen für Millionen von Menschen. Klar, dass da auch genug Geld da ist, um die teure Digitalisierung vorzunehmen.“ Doch das ist nicht die relevante Botschaft. Das System funktioniert deshalb für die Arbeitgeber so gut, weil die arbeitsrechtliche Grundlage sowie die Meldewege und die Pro- zesse der Zusatzversorgungskassen aufeinander abgestimmt und von Anfang bis Ende durchdacht sind. Darin liegt die Stärke dieser Kons- truktion. Wir haben bereits festgestellt, dass die digitalen Ressourcen sowohl auf Seiten der Entgeltab- rechnung als auch auf Seiten der Versorgungsträger vorhanden sind. Doch durch die Vielzahl der Ausge- staltungen von Versorgungszusagen einerseits und die sehr unterschied- liche Aufstellung von Versicherern andererseits entsteht ein hohes Maß an Komplexität. Der Weg der Digita- lisierung kann (in diesem Fall) nicht sein, diese Komplexität hinfortzu- wischen. Betriebliche Altersvorsorge ist zuallererst eine Zusage des Arbeit- gebers an den Arbeitnehmer auf Leistungen der Alters-, Invalidi- täts- oder Hinterbliebenenvorsorge. Ihre Ausgestaltung bestimmt sich durch den Zweck der betrieblichen Sozialleistung (neue Mitarbeitende gewinnen, Betriebstreue belohnen etc.). Jedoch spricht nichts dage- gen, sich bei der Einrichtung oder Neugestaltung eines Versorgungs- werks fachkundig beraten zu lassen und bei der Zusage die Adminis- trierbarkeit mitzudenken. Aber aus inhaltlichen Gründen (und weil das Arbeitsrecht auch noch ein Wört- chen mitzureden hat) wird die Digi- talisierung in der bAV nicht darauf hinauslaufen, dass Standards der Internet-Giganten die Versorgungs- bedingungen in deutschen Unter- nehmen diktieren. Auf Seiten der Versorgungsträ- ger sieht es ähnlich aus: Die unter- schiedlichen Stärken der Produkt- geber werden langfristig benötigt. Eine Monopolisierung, wie sie sonst oft mit der Digitalisierung einher- geht (Suchmaschinen, Betriebssyste- me …), wäre auch nicht im Interesse der Kunden der Versorgungsträger. Gleichwohl gilt: Bestehen Anbieter auf antiquierten Prozessen, weil sie glauben, sich das wegen vermeint- lich führender Produkte erlauben zu können, wird die Zeit über sie hinweggehen. Im Verein BiPRO e. V. (Bran- cheninstitut für Prozessoptimie- rung) stimmen Versicherer sich ab, um den einheitlichen Austausch von Daten und Dokumenten zu ermög- lichen. Das ist begrüßenswert. Doch manch ein Anbieter kocht lieber sein eigenes Süppchen, anstatt sich an der Entwicklung und Implementie- rung universeller Kommunikations- standards zu beteiligen. Ebenso be- dauerlich ist, dass der Enthusiasmus für Schnittstellen deutlich nachlässt, sobald die für den Vertrieb relevan- ten Angebots- und Antragsprozesse etabliert sind. Doch grundsätzlich ist der Weg, den BiPRO beschreitet, der richtige. Die „Einlieferung“ von Daten muss ohne ermüdende und fehleran- fällige Mehrfacherfassungen und Medienbrüche möglich werden. Beim Rückspielen von Dokumen- ten (noch nicht aber bei Daten) sind viele Versicherer bereits erstaunlich leistungsfähig. Wie geht es weiter? Die BiPRO-Vision ist die direkte Kommunikation der Entgeltabrech- nungssysteme mit den Schnittstel- len der Versicherer. Die Systemanbieter der Entgelt- abrechnung verfolgen diesen Weg allerdings ohne großen Elan. Ein legitimer Grund könnte die ange- sprochene Vielfalt der Ausgestaltung von Versorgungszusagen sein. Einen (technischen) Standard zu entwi- ckeln, der alle – oder auch nur das Gros – der in Deutschland vorkom- menden Versorgungsregelungen abbildet, ist aussichtslos. Klar ist: Für die Umsetzung einer umfassenden Digitalisierung der betrieblichen Altersvorsorge brauchen Arbeitgeber deshalb Part- ner an ihrer Seite, die nicht nur die Abbildung der bAV in der Entgelt- abrechnung verstehen. Die Digitalisierung beginnt bei der Ausgestaltung der arbeitsrecht- lichen Zusage. Sie setzt sich fort in der Arbeitnehmerberatung bei der Entgeltumwandlung. Anschließend muss sichergestellt sein, dass, so- wohl bei der Anmeldung als auch im weiteren Lebenszyklus des Versi- cherungsvertrags, Daten durchgän- gig digital verarbeitet werden. Di- gitalisierung ist noch nicht erreicht, wenn beim Versorgungsträger der Sachbearbeiter einen neuen Beitrag aus einer E-Mail ins Vertragsver- waltungsprogramm kopiert oder aus einem gescannten PDF abtippt. Um diese Durchgängigkeit herzustellen, braucht es Mittler, die die Regelungen und technischen Gegebenheiten konkreter Arbeit- geber verstehen und – gegebenen- falls mit eigenen Datenbanken und Schnittstellenangeboten – aufgrei- fen. Das ermöglicht die Übersetzung und Weitergabe von Vorgängen der Entgeltabrechnung in die System- logik der Versorgungsträger sowie entsprechende Rückmeldungen. Ob ein Arbeitgeber sich dann bAV-Dokumente in einem Online- system ansieht oder sie gleich für seine elektronische Personalakten- führung digital zurückbekommt, ist dann kein Problem mehr, sondern eine Frage des Geschmacks. n Michael Schwab, Ecclesia Gruppe Vorsorgemanagement GmbH, Aktuar (DAV), IVS-geprüfter versicherungsmathematischer Sach- verständiger für betriebliche Alters- vorsorge