Special HRP • HR-Anbieter 2023/2024 leistungsfördernden Umfelds, sondern auch, wenn es um das allgemeine Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden geht. Was das bedeutet, zeigte sich vor allem während der Corona-Pandemie unmissverständlich. Urlaub, wird nicht krank, bekommt kein Kind, Burn-out exis- tiert nicht, sie erhält kein Gehalt, brachte dem Unternehmen jedoch ein sattes Aktienplus von 18,2 Prozent. Mein Chef, die Maschine. Wie realistisch ist das? Balance statt Extrem Nicht alles an Corona war schlecht. Zumindest was New Work an- geht. Denn plötzlich klappte etwas, wovon jeder Chef sagte, dass es nie funktionieren würde – Homeoffice. Und es lief super. Die Zahlen sprechen Bände. Jetzt wird allerdings wieder zurückgeru- dert. Die Großen machen es vor: Zoom, SAP, Google, Disney, Ama- zon und viele andere holen ihre Angestellten wieder für zwei, drei Tage ins Büro. Wer sich nicht daran hält, bekommt eine schlechte Leistungsbeurteilung oder wird gekündigt. Kein Scherz, Google ist da sehr konsequent. „Es steht außer Frage, dass die Zusam- menarbeit im selben Raum einen positiven Unterschied macht“, sagt Google-Personalchefin Fiona Cicconi. Einer Entwicklung, der hier entgegengewirkt werden soll, be- schreibt der Begriff „Entgrenzungseffekt“. Im Dezember 2020 führte das Fraunhofer IAO mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) eine Umfrage unter der Überschrift „Arbeiten in der Corona-Pandemie“ durch. Befragt wurden 180 HR- und Unternehmensverantwortliche. Darin bestätigt sich, was bereits im AOK-Fehlzeitenreport 2020 bekannt wur- de: Eine Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatem kann zu gesundheitlichen Einschränkungen durch ein gesteigertes Stresslevel und mangelnde Erholung führen. Zudem kann eine Vereinsamung der Menschen drohen. Die Betonung liegt hier vor allem auf dem „kann“. Es mag Mit- arbeitende geben, die ihr Umfeld im Büro brauchen, doch ge- nauso gut gibt es jene, die leistungsfähiger und zufriedener sind, wenn sie nur von zu Hause aus arbeiten. Die Persönlich- keit, private Umstände, Aufgaben und vieles mehr sind aus- schlaggebend für die Performance der Mitarbeitenden. Extre- me, in die eine oder andere Richtung, sind hier keine Lösung! Vielmehr gilt es, die richtige Balance zu finden, die es allen Mitarbeitenden ermöglicht, Bestleistungen abzurufen. Dies allerdings verlangt von den Führungskräften erweiterte Kom- petenzen, insbesondere im kommunikativen und sozialen Be- reich. Werden diese Faktoren gestärkt, verbessert sich nicht nur die Führungsqualität an sich, sondern es gelingt auch, ein Umfeld und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen jeder Mitarbeitende bestmöglich performen kann. Die Frage nach der optimalen Arbeitsumgebung und Führung ist also komplex und individuell. Doch während wir uns bemü- hen, diese Fragen für menschliche Mitarbeitende zu beantwor- ten, gibt es Unternehmen, die einen ganz anderen Weg gehen. Sie setzen auf Technologie und künstliche Intelligenz (KI), um ihre Führungsebene zu besetzen. Ein Beispiel dafür ist der chi- nesische Softwaregigant NetDragon mit Sitz in Hongkong. Wir sind mitten in der KI-Revolution. Manchmal ist uns selbst noch gar nicht bewusst, was das bedeutet. Künstliche Intelli- genz ist Fluch und Segen zugleich: Während sie auf der einen Seite die Arbeit erleichtert, schürt sie auf die anderen Ängste und Unsicherheit bei vielen Mitarbeitenden – und jetzt viel- leicht auch bei Führungskräften. Ob eine KI einen CEO ersetzt, steht noch in den Sternen, denn ein „künstlicher“ Chef ist, zu- mindest Stand heute, weit davon entfernt, ebenso empathisch oder wertschätzend wie ein Mensch zu sein. Im Gegenzug bedeutet das, dass insbesondere Führungskräf- te genau an diesen Fähigkeiten arbeiten müssen. Neben den grundsätzlichen Werkzeugen, wie agiles Führen, Zeitmanage- ment, Selbstführung, Prioritäten setzen usw., die jede Füh- rungskraft beherrschen sollte, ist es von höchster Relevanz, „menschliche“ Kompetenzen zu fördern, die Stabilität und Re- silienz für die Mitarbeitenden und die Organisation generieren. Dies gelingt allerdings nur, wenn neue Führungsmodelle ge- lebt werden. Es wird Zeit, sich von altem Ballast zu befreien und nach vorn zu gehen Die Zeiten von Sachbuch-Führungsmethoden aus den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts sind genau das – aus dem letzten Jahrhundert. Da gab es völlig andere Rahmen- bedingungen und Herausforderungen und für diese hatten die Führungsinstrumente ihre Berechtigung. Aber heute braucht es andere und das wird leider oft nicht verstanden. Der erste Schritt hin zu einer zeitgemäßen und zukunftsorien- tierten Führung ist, zu verstehen, was die Menschen im Unter- nehmen und andere Stakeholder heute brauchen. Die vier fol- genden Haltungen in Sachen Führung sind ein Indikator dafür: 1. Transparenz Um als Führungskraft das Vertrauen des Teams zu gewinnen, vor allem aber, um es zu behalten, ist Transparenz entschei- dend. Absichten müssen daher grundsätzlich transparent und erlebbar sein. Es gilt zum einen, Gründe für Entscheidungen klar und eindeutig zu kommunizieren und andererseits Ankün- digungen und Versprechen umzusetzen. 2. Konsequenz Es geht darum, a) ehrlich zu sagen, was man denkt, und b) zu tun, was man sagt. Ganz geradlinig. Inkonsequentes Verhalten führt zu Verunsicherung und Vertrauensverlust. Mitarbeiten- de vertrauen Menschen, die konsequent in ihrem Handeln sind und die Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen. CEO aus Codes – die Zukunft? NetDragon beschäftigt seit August 2022 Tang Yu als CEO – eine künstliche Intelligenz. Sie arbeitet 24 Stunden, braucht keinen 3. Verlässlichkeit Heute eine Richtung und morgen eine ganz andere – dieses Verhalten sorgt für große Verunsicherung. Mitarbeitende müs- sen sich auf ihre Führungskräfte verlassen können. Vorgesetz- 20 HR Performance Special 4/2023