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Kündigung; Massenentlassungsanzeige; Eingang vor dem Zugang der Kündigungserklärung oder vor der Unterzeichnung der Kündigungserklärung?

Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 13.06.2019 – 6 AZR 459/18 -:

1. Eine Kündigung im Massenentlassungsverfahren kann wirksam erst erklärt wer­den, wenn die Massenentlassungsanzeige erfolgt ist. Andernfalls ist sie gemäß § 17 Abs. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig (Rn. 22).

2. Nach dem Unionsrecht knüpft der Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen an den Zeitpunkt der Entlassung und damit an den Zugang der Kündigungserklärung an (Rn. 34).

3. Dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Eingangs einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit den Kündigungsentschluss bereits getroffen und das Kündigungsschreiben unterzeichnet hatte, führt - vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen - nicht zur Nichtigkeit einer Kündigung im Massenentlassungsverfahren, solange die Kündigung dem Arbeitnehmer erst nach diesem Zeitpunkt zugeht (Rn. 23 ff.).

4. Insbesondere der beschäftigungspolitische Zweck des Anzeigeverfahrens, das es der Agentur für Arbeit ermöglichen soll, sich rechtzeitig auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können, erfordert es, dass Anzahl und Namen der konkret zu entlassenden Arbeitnehmer bereits feststehen. Hingegen kann, soll und will die Agentur für Arbeit - anders als der Betriebsrat im Konsultationsverfahren - auf den Willensentschluss des Arbeitgebers keinen Einfluss mehr nehmen. Das Tätigwerden der Arbeitsvermittlung setzt einen solchen voraus (Rn. 28).

5. Dieses Ergebnis entspricht den Vorgaben des Unionsrechts und ist, ohne dass vernünftige Zweifel daran bestehen, durch die Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - [Junk]) geklärt. Eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es daher nicht (Rn. 30 ff.).

6. Der Zugang einer Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung bestimmt sich nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates und damit vorliegend nach § 130 Abs. 1 BGB (Rn. 34). Das verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Rn. 36).

7. Welche Informationen erforderlich sind, damit der Betriebsrat entsprechend des Zwecks des Konsultationsverfahrens die Willensbildung des Arbeitgebers beeinflussen kann, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Eine schlagwortartige Information genügt, sofern der Betriebsrat bspw. durch Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auf andere Weise die Umstände der beabsichtigten Massenentlassung bereits kennt (Rn. 41).

8. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet ein Gemeinschaftsbetrieb im Hinblick auf den/die Insolvenzschuldner/in (§ 728 Abs. 2 Satz 1 BGB, Rn. 55).