Kundenservice Veranstaltungen: 02234-9894940
Kundenservice Bücher: 089-21837921
Aboservice Zeitschriften: 089-21837110

Überstundenprozess; Stufenklage; Auskunft nach § 21a Abs. 7 ArbZG

OS 1: Bestätigung und Fortführung von BAG 04.11.2015 – 7 AZR 972/13 –
OS 2: Bestätigung und Fortführung von BAG 01.03.2006 – 5 AZR 511/05 -

 

Anschließend die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 28.08.2019 – 5 AZR 425/18 -:

 

1. Die in der ersten Stufe einer Stufenklage nach § 254 ZPO verlangte Auskunft muss dem Zweck dienen, einen bestimmten Leistungsantrag verfolgen zu können. Daher ist eine Stufenklage unzulässig, wenn die geforderte Auskunft überhaupt nicht dem Zweck der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient. Der Auskunftsanspruch nach § 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG kann zulässiger Gegenstand der ersten Stufe einer Stufenklage im Überstundenvergütungsprozess sein (Rn. 18 f., 21).

2. Das Anknüpfen des Laufs einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Ausschlussfrist an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt eine unangemessene Benachteiligung mit der Folge der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Gleiches gilt für das Anknüpfen des Laufs der Ausschlussfrist an das Entstehen des Anspruchs (Rn. 37).

Aus den Entscheidungsgründen:

Rn. 3: 16. Ausschlussfristen
Alle Ansprüche aus diesem Vertrag sind binnen 3 Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von 3 Monaten, schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf der Fristen ist beiderseits die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen.

Rn. 7: Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz von Belang, zuletzt sinngemäß beantragt,
1. An den Kläger schriftlich Auskunft zu erteilen über die von ihm geleisteten Arbeitszeiten im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 16. September 2016. Die Auskunft beinhaltet die Übergabe eines Ausdrucks der Daten, die auf der Fahrerkarte gespeichert sind;
2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Vergütung, die sich aus der Aussage der Auskunft zu Ziffer 1 ergibt unter Berücksichtigung der berechneten und ausgezahlten Vergütung zu zahlen.

Rn. 13: Danach ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass der Kläger den gesetzlichen Anspruch nach § 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG geltend macht, der, was das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, dogmatisch ein Herausgabeanspruch ist (vgl. Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 35).

Rn. 18: Die in der ersten Stufe verlangte Auskunft muss dem Zweck dienen, einen bestimmten Leistungsantrag im Klagewege verfolgen zu können (vgl. BAG 4. November 2015 – 7 AZR 972/13 – Rn. 13; …).

Rn. 20: Wenn die Auskunft dazu dient, den Leistungsantrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmen zu können, werden entgegen dem Gesetzeswortlaut von § 254 ZPO Informationsansprüche jeglicher Art erfasst (vgl. BAG 4. November 2015 – 7 AZR 972/13 – Rn. 13; …). Daher sind unter Rechnungslegung iSd. § 254 ZPO auch Auskünfte zu verstehen, die zur Erhebung eines bezifferten Zahlungsantrags erforderlich sind (vgl. BAG 26. Mai 2009 – 3 AZR 816/07 – Rn. 11), mithin auch eine Kopie der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG.

Rn. 21: Der Auskunftsanspruch nach § 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG kann Gegenstand der ersten Stufe einer Stufenklage sein. Dem steht – anders als das Landesarbeitsgericht gemeint hat – nicht entgegen, dass § 21a Abs. 7 ArbZG nach Sinn und Zweck eine Schutzvorschrift im arbeitszeitrechtlichen Sinn ist.

Rn. 26: Auch wenn der Zweck der Aushändigung von Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 ArbZG nicht darauf gerichtet ist, Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn darzustellen, ist es jedoch nicht ausgeschlossen, daraus Informationen in Bezug auf die Vergütung für geleistete Arbeit zu erlangen. Die vom Kläger geforderten Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 ArbZG sind … geeignet, eine Bezifferung der Vergütung für Überstunden vornehmen zu können.

Rn. 27: Die Besonderheit einer Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH 29. März 2011 – VI ZR 117/10 – Rn. 8, BGHZ 189, 79; …). Daher ist nicht allein entscheidend, für welche Zwecke der Auskunftsanspruch geschaffen wurde, sondern auch, ob die Information, die aus seiner Erfüllung folgt, tatsächlich zur Bezifferung des Leistungsantrags herangezogen werden kann.

Rn. 28: Auch wenn die Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 ArbZG primär der Kontrolle der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Belange durch die Aufsichtsbehörden dienen (§ 17 Abs. 1, Abs. 4 ArbZG), stehen sie doch zugleich nach der Rechtsprechung des Senats Arbeitnehmern und Arbeitgebern als geeignete Hilfsmittel bei der Rekonstruktion und Darlegung der Arbeitszeit zur Verfügung (vgl. BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16 – Rn. 27, BAGE 15, 347).

Rn. 29: Für die Zulässigkeit einer Stufenklage nach § 254 ZPO ist es ausreichend, dass lediglich ein Teil der benötigten Informationen im Wege der Auskunftsklage zu erlangen ist. Denn eine Stufenklage ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Auskunft in keiner Weise der Bestimmung des Leistungsbegehrens dient.

Rn. 32= Der Arbeitnehmer könnte zunächst auch isoliert den ihm zustehenden Auskunftsanspruch nach § 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG klageweise geltend machen und dann eine Leistungsklage erheben. Die Stufenklage dient daher der Prozessökonomie (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 77. Aufl. § 254 Rn. 2). Im Übrigen ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, den Nachweis der Unrichtigkeit der Aufzeichnungen zu führen (vgl. BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16 – Rn. 27, BAGE 157, 347).

Rn. 36: Die Ausschlussfrist ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt unwirksam.

Rn. 37: Das Anknüpfen des Laufs der Ausschlussfrist an das Entstehen des Anspruchs führt zu einer unangemessenen Benachteiligung. Ob die Ansprüche zu diesem Zeitpunkt erkennbar und durchsetzbar sind, ist nach der Klausel unerheblich. Das ist mit dem in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundgedanken unvereinbar.

Rn. 38: Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist – neben dem Entstehen des Anspruchs (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) -, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist in Ausschlussfristen dadurch Rechnung zu tragen, dass für den Fristbeginn die „Fälligkeit“ der Ansprüche maßgebend ist (vgl. BAG 1. März 2006 – 5 AZR 511/05 – Rn. 14 mwN, BAGE 117, 165; CKK/Klumpp AGB-Arbeitsrecht 2. Aufl. § 307 BGB Rn. 120).

Rn. 39: Fälligkeit im Sinne vereinbarter Ausschlussfristen tritt nicht stets ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs ein (BAG 27. März 2019 – 5 AZR 71/18 – Rn. 34). Der Begriff der Fälligkeit in Ausschlussfristen ist vielmehr unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen (BAG 14. November 2018 – 5 AZR 301/17 – Rn. 27, BAGE 164, 159; …). Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt einer Forderung können deshalb auseinanderfallen. Entstanden ist ein Anspruch schon in dem Augenblick, in dem die jeweiligen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Fällig wird der Anspruch, wenn sich die Leistungspflicht des Schuldners aktualisiert (vgl. BAG 14. Dezember 2004 – 9 AZR 33/04 – zu II 2 b aa der Gründe). Seine Fälligkeit kann daher auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten (BAG 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12 – Rn. 23 mwN; 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 58, BAGE 163, 72). Es muss dem Gläubiger tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen (BAG 27. März 2019 – 5 AZR 71/18 – Rn. 34). Durch das Anknüpfen an den Zeitpunkt ab Entstehen des Anspruchs kann die Frist, die jedenfalls 3 Monate ab Fälligkeit nicht unterschreiten darf (BAG 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – zu II 5 der Gründe, BAGE 116, 66), unangemessen verkürzt sein (vgl. BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 58, aaO).

Rn. 40: Im Streitfall kann dem nicht entgegengehalten werden, dass die anspruchsbegründenden Umstände, dh. das Ableisten von Überstunden, in der Sphäre des Arbeitnehmers, also mit seiner Kenntnis auftreten. Denn die Klausel in Ziff. 16, 1. Alternative Arbeitsvertrag muss abstrakt betrachtet jeder Konstellation standhalten können, weil sie nach ihrem Wortlaut „alle Ansprüche“ aus dem Vertrag erfasst.

Rn. 41: Das Anknüpfen des Laufs der Ausschlussfrist an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung und ist damit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG 1. März 2006 – 5 AZR 511/05 – Rn. 14, BAGE 117, 165; …). Beginnt nämlich die Ausschlussfrist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen, kann das dazu führen, dass dem Gläubiger weniger als drei Monate Zeit verbleiben, um einen Anspruch geltend zu machen, wenn der Anspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Daher kann dahinstehen, ob in Ziff. 16 Arbeitsvertrag inhaltlich trennbare Ausschlussfristenregelungen enthalten sind, weil die in einem solchen Fall grundsätzlich mögliche Wirksamkeit der anderen Regelung in Anwendung des sog. blue-pencil-Tests (vgl. BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 251/11 – Rn. 37, BAGE 141, 340; …) hier nicht zum Tragen kommen kann.