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Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft; Deutsch als Muttersprache; Auslegung einer Stellenausschreibung; Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG

1. Die in einer Stellenausschreibung enthaltene Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ kann Personen wegen der ethnischen Herkunft in besonderer Weise benachteiligen iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Sie bewirkt, soweit es an einer Rechtfertigung iSv. § 3 Abs. 2 AGG fehlt, eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft. Die erworbene Muttersprache ist typischerweise mittelbar mit der Herkunft und damit auch mit dem in § 1 AGG genannten Grund „ethnische Herkunft“ verknüpft. Der Begriff „Muttersprache“ betrifft den primären Spracherwerb. „Muttersprache“ ist die Sprache, die man von Kind auf oder als Kind – typischerweise von den Eltern – gelernt hat. Darauf, ob der Begriff der muttersprachlichen Kenntnisse den Rückschluss auf eine bestimmte Ethnie zulässt, kommt es nicht an.

2. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart, was hier nicht der Fall ist. Die Frist beginnt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

3. Die Ablehnung eines Bewerbers ist keine rechtsgestaltende Willenserklärung, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Da § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG für die Ablehnung keine bestimmte Form vorschreibt, muss die Ablehnung weder schriftlich noch sonst verkörpert erfolgen und kann deshalb auch mündlich erklärt werden.

4. Eine „Ablehnung durch den Arbeitgeber“ iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG setzt eine auf den Beschäftigten bezogene ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers voraus, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass seine Bewerbung keine Aussicht (mehr) auf Erfolg hat. Allerdings reicht ein Schweigen oder sonstiges Untätigbleiben des Arbeitgebers grundsätzlich nicht aus, um die Frist des § 15 Abs. 4 AGG in Lauf zu setzen. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Bewerber nicht durch den Arbeitgeber, sondern auf andere Art und Weise erfährt, dass seine Bewerbung erfolglos geblieben ist. Die Ablehnung muss sich als Reaktion auf die konkrete Bewerbung darstellen.

5. Die Ablehnung kann ausnahmsweise entbehrlich sein. Dies kann der Fall sein, wenn sich das Erfordernis der Ablehnung als reine Förmelei darstellt, weil der Bewerber auch ohne die Ablehnung eine sichere Kenntnis hat, dass seine Bewerbung erfolglos geblieben ist. Dies kann anzunehmen sein, wenn der Bewerber selbst in der Bewerbung unmissverständlich erklärt hat, ausschließlich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zur Verfügung zu stehen und dieser Zeitraum abgelaufen ist oder wenn – für jedermann offensichtlich – für die Arbeitsleistung eine bestimmte Leistungszeit so wesentlich ist, dass diese typischerweise zu einem anderen Zeitpunkt oder innerhalb eines anderen Zeitraums nicht nachgeholt werden kann und dieser Zeitraum abgelaufen ist. Insoweit muss offensichtlich sein, dass der Bedarf an der Arbeitsleistung typischerweise mit der Einhaltung einer bestimmten Leistungszeit steht und fällt.